Plaue ist seit 1952 ein Stadtteil von Brandenburg an der Havel
Plaue historisch 2
 
August Trinius
 
Abbildung von Willy Stöwer (Marinemaler)
+ 22.5.1864 Wolgart + 31.5.1931 Berlin
 
Abbildung von Willy Stöwer (Marinemaler)
+ 22.5.1864 Wolgart + 31.5.1931 Berlin
August Trinius (eigentlich Carl Freiherr von Küster) deutscher Schriftsteller
* 31.7.1851   +  2.4.1918

Artikel aus ''Märkische Streifzüge'' abgedruckt in ''Deutsche Illustrierte Zeitung''

Zwischen Schloß Plaue und Elbe.
Von Stadt Brandenburg an bis Plaue entfaltet die Havel noch einmal ihren ganzen Zauber charakteristischer Schönheit. Das Bild eines Flusses ist völlig aufgehoben. Wie schon bei Wannsee beginnend, reiht sich hier wieder See an See, Bucht an Bucht; träumerische Eilande steigen aus der blauen Flut, Halbinseln schieben sich, von Baumkronen überwölbt, von Schilf und Weidengebüsch umkränzt, tief hinein in die sonnenglitzernden Wellen. Es ist ein Genuß,über diese kraus verschlungenen Wogen dahin zu gleiten, welche bald von dunklen Wäldern eingerahmt erscheinen, bald weite Blicke über flaches, unendlich sich dehnendes Land gewähren, echtes Havelland, das im Frühjahr, wenn das Hochwasser sich einstellt, nun einem einzigen, mächtigen See gleicht.
    Ungefähr eine Stunde hinter Brandenburg leuchtet uns der umfangreiche Plauesche See entgegen. Es ist dies kein einzelner, abgeschlossener See, sondern ein Gewirr von Wasserflächen. Bildete bisher die Havel von Ketzin über Brandenburg bis Plaue die südliche Grenze des Regierungsbezirks Westhavelland, so wendet sie sich jetzt im scharfen Knick nach Norden und stellt nun bis äzum Dorfe Behlgast die westliche Grenzlinie dar. Dicht an dem Städtchen Plaue beginnt der Plauesche Kanal, der in den Jahren 1743 bis 1745 angelegt wurde, die Schiffahrt zwischen Berlin und Magdeburg abzukürzen. Er verbindet die Havel mit der Elbe bei Parey, wird von der Ihle gespeist und von der Stremme durchschnitten. Unserer jagenden Neuzeit hat dieser Wasserweg, der einst als eine große Verkehrserrungenschaft begrüßt wurde, nicht mehr genügt, und so hat man neuerdings noch aus ihm heraus den Neuen Plaueschen Kanal angelegt (auch Ihle-Kanal genannt), welcher bei Niegripp die Elbe erreicht.
     Das Städtchen Plaue ist von einem ungemein anziehenden, anheimelnden Reize. Zu der malerischen Lage gesellt sich das Äußere des Städtchens, das sauber, behaglich, gut gehalten dreinschaut, nicht ahnen lassend, daß hier im Grunde genommen die Armut von jeher zu Hause war. Aber sie vermochte doch den Sinn nicht zu ertöten, auch mit bescheidenen Mitteln sich das bißchen Erdendasein wohlig und ansprechend auszugestalten, dem kärglichen Leben Sonnenblicke abzugewinnen. Obgleich es das Recht besitzt, sich ein Städtchen nennen zu dürfen, macht es doch weit eher den Eindruck eines Fischerdorfes. Fischer und Schiffer wohnen hier seit Jahrhunderten am Wasser, dem sie mühsam des Lebens knappen Unterhalt abgewinnen.
     Des Städtchens Stolz und Zier ist sein Schloss am See, das sich kühn aus den Fluten aufbaut. Schloß Plaue nimmt in der Geschichte der Mark Brandenburg eine nicht unbedeutende Stellung ein. Der Name des verwegenen Adelsgeschlechts von Quitzow ist aufs engste damit verknüpft. Von dergleichen märkischen Nestern zu reden oder zu schreiben, wenigstens für solche, welche außerhalb des brandenburgischen Gebietes wohnen, wäre noch vor einem Jahrzehnt Vermessenheit gewesen. Die Namen der schottischen und englischen Schlösser, Dörfer und einsamen Heiden waren uns durch Shakespeares Dramen geläufiger und vertrauter als jene Stätten im eigenen Vaterlande, Stätten, die mindestens gleichen Anspruch auf Bedeutung und Interesse erheben durften, als jene im Nebelgrau englischer Geschichte verschwimmenden Ortschaften. Seitdem ist auch hierin ein Wandel geschaffen worden.
    Das vierzehnte Jahrhundert war für die arme Mark Brandenburg ein harter Prüfstein. Wittelsbacher und luxemburgische Herrschaft stritten sich um den Vorrang, währenddessen die Mark zum Spielball frecher Willkür heruntersank und Straßenraub wie wildes Fehdewesen immer üppigere Blüten trieben. Allen voran thaten es die Quitzows. Sie waren die Mächtigsten im Lande, die sich mit Herzogen verbanden, gegen Fürsten Krieg führten. Dietrich von Quitzows saß auf SchloßFriesak, sein Bruder Hans in Plaue. Endlich schlug aber auch für sie die Stunde der Vergeltung. Die Empörung im Lande war nicht länger zurück zu halten. Bürger und Bauern rotteten sich im Jahre 1414 zusammen, schlossen sich dem Heere des Markgrafen Friedrich an und rückten nun vereint von einer Feste zur andern. Ueber zwanzig Burgen sind damals dem Erdboden gleichgemacht worden. Auch Friesak und Plaue fielen in die Hände der Belagerer. Hans von Quitzow geriet in Gefangenschaft, trotzdem er versucht hatte, im Wasser sich den Feinden zu entziehen, indem er sich im Schilf verborgen hielt und durch ein Rohr Luft einsog. Dietrich von Quitzow entkam und ist dann elendiglich in der Fremde umgekommen.
    Ein Besuch des Schlosses am blauen Havelstrome mit seinem herrlichen, schattigen Parke, den altertümlichen Räumen, die in ihrer Einrichtung, den Bildern, Rüstungen, Schmucksachen, Tapeten, Decken und Kaminen uns frühere Zeiten aufs lebendigste widerspiegeln, ist überaus lohnenswert. Der Banketsaal, das Lackzimmer (chinesischer Salon), von dem eine Ueberlieferung erzählt, daß hier Friedrich Wilhelm I. in Gegenwart des Zaren Peter des Großen den Kronprinzen Friedrich zum Kapitän ernannt habe, diese beiden Räume besonders bilden fein abgetönte, harmonisch wirkende Stimmungsbilder vergangener Epochen. Aber auch sonst findet das kunstgeübte Auge noch viel des Schönen und Erfreuenden hier, sowohl in den Innenräumen wie in ihrer Verbindung mit der äußeren Umgebung des Schlosses, das sich nach einer Seite hin gerade aus dem Wasser erhebt.
    Seit langer Zeit sitzt hier das Geschlecht der Grafen von Königsmark. Oftmals hat das Schloß hohe und höchste Gäste aus dem preußischen Königshause beherbergen dürfen, die sich immer hier auf der alten Feste wohl fühlten, um deren Mauern einst der Kampf so hart getobt hatte. Erst im Jahre 1890 sah Stadt und Schloss Plaue einen Festtag, wie es ihn schwerlich bis dahin erlebt haben dürfte. Gräfin Alice von Königsmark feierte ihre Vermählung mit dem Freiherrn Moritz von Bissing, Oberst und Kommandeur des Regiments der Garde du Clorps, Flügeladjutant Kaisers Wilhelm II. Über zehntausend Fremde füllten die festlich geschmückten Gassen des Fischerstädtchens: Verein an Verein mit flatternden Fahnen und schmetternden Kapellen. Und drinnen im Banketsaal des alten Schlosses des Raubritters Hans von Quitzow hob ein jugendlicher, willensstarker Kaiser das Glas und trank auf die Gesundheit des jungen Paares.
. . . .
Von den Quellen der Havel bis zur Elbe.
Von A. Trinius.
  Zum Bild   ''Deutsche Illustrierte Zeitung''